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Vokabeln statt Schokolade – letzte Chance, um unseren Adventskalender noch rechtzeitig zu bekommen

Am Freitag ist der 1. Dezember – höchste Zeit also für unseren Friesischen Adventskalender. Das weiß jetzt, dank Wochenendbeilage vom shz und Interview bei RSH ganz Schleswig-Holstein!

Dieser Artikel von Undine Bischoff war in der Beilage Schleswig-Holstein am Wochenende vom shz:

Der Adventskalender der Föhrer Ferring-Stiftung macht nicht dick, aber schlau

Margret Fischers Job ist lange schon getan. Sie hatte nämlich bereits Anfang des Jahres die Idee für das Titelbild des friesischen Adventskalenders, den die Föhrer Ferring-Stiftung jetzt zum zweiten Mal herausbringt. „Beim Motiv mit winterlichem Haus, vor dem der Weihnachtsmann die Stiefelchen der Bewohner füllt, habe ich mich von meinen Kindheitserinnerungen leiten lassen“, sagt die Wyker Hobbymalerin. Der Kalender war vom Start weg ein Topseller. „Wenn die von der Stiftung wüssten, wie glücklich ich mit dieser Arbeit bin“, sagt die 63-jährige Krankenschwester, die noch ein paar Monate in Altersteilzeit ist.

Die Beziehung zwischen Margret Fischer und der Ferring-Stiftung ist ein Glücksfall. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, bestätigt Vorstand Volkert Faltings schmunzelnd. Lange hatte das Team der Friesenforschungs-Hochburg auf Föhr jemanden gesucht, der lebendig und friesenherzig zeichnet und all die Ideen umsetzen würde, die die rund zehn Mitarbeiter bei ihrer täglichen Arbeit entwickeln. Das Nordfriesische wird von einigen Experten als ernsthaft gefährdet eingestuft, weshalb die Stiftung diese Sprache und Kultur hochhalten will, bewahren, wieder neu beleben. Gerne auch spielerisch – und vor allem sympathisch.

Allein an der Illustration hat’s gefehlt. Man probierte dies und das, ließ skizzieren und verwarf wieder. So richtig sprang der Funke nicht über. Dann brachte die Chefin der Föhrer Volkshochschule (VHS) Margret Fischer ins Spiel. Sie brachte ein paar Entwürfe ins Haus, die sofort überzeugten. Und sie selbst tat’s wahrscheinlich auch: Quirlig, handfest und derart motiviert, dass alle Überlegungen, die man telefonisch an einem Tag mit ihr besprach, am Tag darauf schon angezeichnet auf dem Tisch lagen. „Ich freu’ mich ja, setz’ mich dann gleich ran und bring’s vorbei. Und wenn ich das treffe, was man sich hier vorstellt, lässt mich das auch immer sicherer werden.“

Wenn Margret Fischer zeichnet, weiß sie, „da muss immer noch etwas Weiß bleiben am Rand für Uta.“ Uta Marienfeld kümmert sich im Haus unter anderem um Öffentlichkeitsarbeit und macht die Grafik. Nicht nur vom Kalender, sondern von allem, was die Stiftung herausgibt. Das macht die ganze Nummer noch ein Stück sympathischer, denn hier stellt wirklich das ganze Team alles irgendwie alleine auf die Beine. „Ich hab mich von Anfang an dazugehörig gefühlt“, sagt Margret Fischer. Hierarchien scheint es nicht zu geben. Jeder macht, was er kann.

Allerdings: Friesisch können sie hier alle. Bücher zu nordfriesischen Seefahrern, Geschlechterreihen, Auswanderern, vergessenen Liedern und alten Tänzen haben die Mitarbeiter schon herausgegeben – und vor allem recherchiert. Reinhard Jannen, ein Amrumer, steckt ständig mit dem Kopf in den zig hundert Archivkästen, die im Keller die Geschichte von Kapitänen, Familien und Kirchen bergen, deren Quellen übrigens genauestens in einem online abrufbaren Findbuch gelistet sind. Kai Faltings übersetzt alte Schiffsprotokolle, Karin Lambertsen hilft Besuchern, die mit alten Familienfotos daherkommen, bei der Namensrecherche. Das neueste Projekt sind rund 70 friesische Kinderreime, die bald zum Frühjahr erscheinen sollen. Verantwortlich für die Zeichnungen: Margret Fischer.

Margret Fischer hat zu Hause in Wyk nicht einmal einen richtigen Arbeitsplatz. „Wenn’s Wetter passt, male ich im Garten. Und sonst gehe ich in die Waschküche, das ist mein Multifunktionsraum“, sagt die Frau, die vor 30 Jahren nach Föhr kam und jahrzehntelang zu ihrem Krankenschwester-Klinik-Job in Utersum mit dem Fahrrad 14 Kilometer hin und 14 zurück fuhr – egal ob Sturm oder fieser Ostwind. So pragmatisch wie sie ist, so anheimelnd ist alles in ihren vier Wänden, einem über 90 Jahre alten Haus – „gebrechlich und altertümlich“ – , das Fischer einst mit ihrem Mann Hans, dem 2009 verstorbenen Chefarzt einer Föhrer Fachklinik, gemeinsam gekauft hatte.

Angefangen hat alles mit Kalendern. „Ich brachte etwas zum Bedanken. Freunde hatten sich während unseres Urlaubs um unseren Hund gekümmert. Da hat mein Mann gesagt, das neue Jahr steht vor der Tür, und du malst so schön, mach doch einen Kalender. Und das hab ich gemacht. Die Kalender wurden immer mehr, für Freunde, Bekannte und Kollegen.“ Vor zwei Jahren rief Fischer an der VHS einen Maltreff ins Leben, wo sie einer Handvoll Hobbymalern Hilfe bei der Arbeit an deren Wunschmotiven anbietet. Sie hat auch mal gewebt, getöpfert und Fliesen bemalt, wovon ihr Haus an vielen Stellen Zeugnis ablegt. Dass ihre Liebe zur Gestaltung nicht nur auf Papier, sondern auch auf Erde funktioniert, demonstriert ihr Garten am Haus in der stillen Wyker Innenstadtstraße: „Neben der Malerei ist der Garten mein Lebenselixier“, erklärt Fischer.

Aufgewachsen ist sie in Albersdorf, in der Nähe von Meldorf. Ländlich also. Ihrer Fantasie tut das gut. Gezeichnet hat sie schon als kleines Mädchen. Neun Kinder waren sie daheim, Margret genau in der Mitte. „So ein Mensch der Mitte bin ich bis heute geblieben. Eher vermittelnd und immer nach allen Seiten offen.“ Der Vater hatte eine Baumschule, die Mutter hat jeden Mittag die Arbeiter mitversorgt. Buntes Treiben und gemütliches Miteinander – das kennt sie. Und das kann sie auch zeichnen.

Nicht ganz so en passant kommen die Friesisch-Vokabeln in den Kalender. Sie passieren eine strenge Jury. „Sonst laufen hier gleich die Telefone heiß“, sagt Volkert Faltings und lacht. A ki, a schep, a stäärschiter … Fischer und das Stiftungsteam wollen nicht nur weihnachtliches Wortgut, sondern gern auch Alltagsbegriffe, Tiere, Haushaltsgegenstände. Damit man das ganze Jahr etwas davon hat – schließlich soll man sich wieder ein bisschen mit der Sprache beschäftigen. Von den rund 164 000 Nordfriesen sprechen noch etwa 10 000 Friesisch, die Hochburgen liegen dabei auf Föhr und Amrum. In der Schule wird die Sprache wieder angeboten. Margret Fischer hatte in ihrer Inselanfangszeit auch mal einen Kurs belegt, aber fließend spricht sie es nicht. „Ich verstehe nicht jedes Wort, reime mir aber die Aussagen ganz gut zusammen“, sagt sie. Sie fragt auch durchaus mal die Nachbarskinder um Rat.

Für das Zeichnen hat sie bisher auf jegliches Honorar verzichtet. „Dass meine Arbeit hier gewünscht und geschätzt wird, ist Motivation und Antrieb genug. Je mehr ich gefordert werde, desto variantenreicher wird es. Es ist toll, dass jetzt so eine große Öffentlichkeit daran teilnimmt, das hat eine ganz andere Strahlkraft“, sagt sie. Für jedes Motiv braucht sie zwei Durchgänge: Zuerst wird skizziert, das kann schon mal ein paar Stunden dauern. „Wird aber auch gerne von mir komplett wieder verworfen“, sagt sie und lacht.

Ehe es dann ein mit Aquarellfarben coloriertes, fertiges Werk ist, vergehen schon mal ein paar Tage – und manchmal sogar Wochen. „Irgendein Detail sitzt dann einfach nicht. Schon während ich skizziere, merke ich manchmal, dass ich da was nicht hinkriege. Also weg mit dem Gedanken und neu anfangen. Und dann reift es beim Malen heran.“